Kosten

9,50 €

Umfang

70 Seiten

Erschienen

November 2009

Heft 56

»Das schöne Wunderland in der Ferne«

Geschlechterdimensionen des deutschen Kolonialismus

In diesem Ariadneheft werden die Begriffe Schwarz und Weiß großgeschrieben, denn ›Hautfarbe‹ oder ›Rasse‹ sind ebenso sozial konstruiert wie Geschlecht. Die Wahrnehmung eines Menschen als Schwarze oder Weiße Person wird dabei nicht negiert, vielmehr wird dessen Verortung in bestimmten sozialen und politischen Rollen unter spezifischen Macht- und Herrschaftsverhältnissen betont.
Bis heute finden gesellschaftspolitische Auseinandersetzungen zur Geschichte des deutschen Kolonialismus statt. Die disziplinübergreifende wissenschaftliche Forschung zum Thema Verortung in bestimmten sozialen und politischen Rollen erfuhr in den letzten 15 Jahren einen regelrechten Boom. Zwar bestand die ›Herrschaft‹ über die in Afrika, China und im Pazifik gelegenen deutschen Kolonialgebiete nur über eine kurze Periode von ca. 30 Jahren, jedoch hat sich eine Einbettung dieser historischen Phase in einen größeren gesellschaftlichen Kontext als unverzichtbar erwiesen. Vor allem neuere kulturgeschichtliche Ansätze haben es ermöglicht, die Rückwirkungen des Kolonialismus auf die deutschen Kolonisator:innen und die deutsche Gesellschaft zu thematisieren und in diesem Zusammenhang den Einfluss Schwarzer Akteur:innen hervorzuheben. Auch ist die Vorstellung vom deutschen Kolonialismus als einem ›männlichen Projekt‹ hinterfragt worden. Die Frauen- und Geschlechterforschung zeigte, dass sich das Bild einer heroisch-kriegerischen kolonialen Männlichkeit als fragil erwies. Zugleich stellte sie heraus, dass Weiße deutsche Frauen ihre Rolle für die Durchsetzung kolonialer Herrschaft zu nutzen wussten, indem sie eigene koloniale Organisationen gründeten und sich aufgrund ihres Selbstverständnisses als ›Kulturträgerinnen‹ koloniale Partizipationsmöglichkeiten schufen. Die damit einhergehende Aufwertung ihrer gesellschaftlichen Stellung war jedoch unauflöslich an die Absicht und Praxis gebunden, »die kolonisierten Gesellschaften zu Unterworfenen zu machen« und »das bürgerliche Gleichheitsversprechen« aufzugeben, wie bei Birthe Kundrus in ihrer Abhandlung »Weiblicher Kulturimperialismus«(2004) nachzulesen ist.
Der koloniale Expansionsprozess führte zu einer zunehmenden Verflechtung Deutschlands mit anderen Weltregionen. Er ließ Menschen in Bewegung geraten, politische und wissenschaftliche Ideen sowie soziale und kulturelle Praktiken zirkulieren. In unterschiedlichem Umfang und unterschiedlicher Intensität wirkten historische Akteur:innen daran mit, geschlechtliche und rassisierte Grenzen und Räume neu zu markieren, zu verschieben und auch zu überschreiten. Dies geschah jedoch nicht nur auf der individuellen und kollektiven Erfahrungsebene, sondern fand seinen Ausdruck auch in der Literatur, im Film und in der Kunst.
Diese komplexen kolonialen Markierungen, Verschiebungen und Überschreitungen stehen im Zentrum des vorliegenden Ariadneheftes. 

Redaktion

Susanne Heyn M. A./ Dr. Kerstin Wolff

Mit Beiträgen von

Wolfgang Gippert, Susann Lewerenz, Thea Leyseck, Susanne Heyn, Stefanie Michels, Anika-Brigitte Kollarz, Eva Blome, Jana Otto, Kristiane Gerhardt, Felix Wiedemann. 

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