• Gabriele Strecker

    "Die Frauen sollen angeregt werden, selbständig zu denken, damit sie als verantwortliche Staatsbürgerinnen und reife Menschen den Aufgaben gewachsen sein würden, welche Familie, Beruf, Staat und Gesellschaft [...] ihnen stellen."[1]

Gabriele Strecker

von Tanja Roth

Gabriele Strecker, geb. Schneider, war eine hessische Ärztin, Journalistin und Politikerin. Sie leitete den Frauenfunk des Hessischen Rundfunks und war Abgeordnete der CDU im Hessischen Landtag.

Sie wurde am 27. Dezember 1904 in Trier geboren und wuchs in Metz/Lothringen und in Frankfurt am Main in einer katholischen Kaufmannsfamilie auf. 1930 heiratete sie den Frauenarzt Dr. Josef Strecker, mit dem sie zwei Kinder bekam. Ab 1943 arbeitete die inzwischen studierte Medizinerin im Kreiskrankenhaus in Bad Homburg als Ärztin. Nach Kriegsende gab sie diesen Beruf auf und widmete sich als Politikerin und Journalistin dem demokratischen Wiederaufbau Deutschlands nach dem Nationalsozialismus. Von 1946 bis 1962 war Gabriele Strecker Ressortleiterin des Frauenfunks bei Radio Frankfurt, dem späteren Hessischen Rundfunk. Für die CDU war sie von 1954 bis 1962 Abgeordnete im Hessischen Landtag. Ihre frauenpolitische Aktivität lag in der Zeit von 1946 bis in die 1970er Jahre. Gabriele Strecker starb am 6. August 1983 in Bad Homburg vor der Höhe.

Frauenpolitische Aktivitäten

Ins Zentrum ihrer Arbeit als Leiterin des Frauenfunks stellte Gabriele Strecker ab 1946 frauenpolitische Themen. Die Arbeit Gabriele Streckers für den Frauenfunk war am Reeducation-Programm der amerikanischen Besatzungszone orientiert und versuchte dieses in die Praxis umzusetzen. Das Reeducation-Programm sah vor, dass Frauen zu verantwortlichen Staatsbürgerinnen gebildet und für internationale Themen interessiert werden sollten. Kultursendungen zählten ebenso zum Repertoire des Frauenfunks wie Berichte aus den Frauenorganisationen und aus dem Ausland, Ernährungs- und Erziehungsratgeber sowie Gesundheitstipps.

1946 wurde Gabriele Strecker als einzige deutsche Frau von den amerikanischen Militärbehörden ausgewählt, an der internationalen Frauenkonferenz „Die Welt in der wir leben – Die Welt wie wir sie wünschen“ in South Kortright, USA, teilzunehmen. Diese Konferenz, auf der sich 200 Frauen aus über 50 Ländern trafen, wurde für Gabriele Strecker zum Schlüsselerlebnis. Strecker sprach fortan Frauenorganisationen für die staatsbürgerliche Bildung von Frauen eine hohe Bedeutung zu und nutzte die im Rahmen der Konferenz geknüpften internationalen Kontakte in der deutschen Nachkriegsfrauenbewegung. In den folgenden Jahren besuchte sie regelmäßig die Frauenkongresse zweier großer internationaler Dachorganisationen, die des International Council of Women (ICW) und des International Alliance of Women (IAW), so zum Beispiel auf dem Dreijahrestreffen des ICW 1960 in Istanbul zum Thema: The Woman and the Family in a Changing World. Gabriele Strecker war Mitglied im Frankfurter Frauenverband, dem späteren Deutschen Frauenring Frankfurt,[2] und trat als Initiatorin der 1952 erfolgten Gründung des Frankfurter Clubs von Soroptimist International auf.

Gabriele Strecker wurde auch parteipolitisch aktiv, 1948 war sie der CDU beigetreten. Sie wurde Vorsitzende der hessischen Frauenvereinigung und war in dieser Position auch in der Bundesfrauenvereinigung (später: Frauen-Union) im Vorstand tätig. Sie war zwischen 1954 und 1962 Abgeordnete des Hessischen Landtages und im Sozialpolitischen sowie im Kulturpolitischen Ausschuss aktiv. Ab 1962 war sie für vier Jahre Mitglied im Bundesvorstand der CDU – in diesem Rahmen wurde sie als Mitglied des Fernsehrats für das ZDF nominiert (1962-1970). Gesundheitliche Gründe zwangen Gabriele Strecker in den 1960er Jahren zum Umzug in die Schweiz nach Neggio im Tessin. Dies hielt sie jedoch nicht davon ab, weiterhin parteipolitischen Tätigkeiten nachzugehen, Vorträge zu halten und journalistische Arbeiten wahrzunehmen. Im Alter von 66 Jahren zog sie sich zwar von ihren politischen Ämtern zurück, war aber noch als Vortragende und Schreibende tätig.

Gabriele Strecker war eine Beobachterin ihrer Zeit, die sich in ihren Texten mit der aktuellen Lebenssituation von Frauen – wie zum Beispiel „Die Diskriminierung des alleinstehenden Menschen“ – auseinandersetzte, aber immer wieder auch aktiv einen antikommunistischen Tenor einbrachte. Einen kleinen Einblick, wie diese antikommunistische Haltung in den Radiosendungen in der Frauenfriedens-Szene aufgenommen wurde, zeigt ein Offener Brief von der Sozialrichterin und Vorsitzenden des Deutschen Kinderschutzbundes, der ehemaligen CSU-Abgeordneten Maria Deku (1901-1983).[3] Selbst Mitbegründerin der Westdeutschen Frauenfriedensbewegung, schreibt Deku 1952 eine Stellungnahme zu einer Sendung – bzw. einem Kommentar – von Gabriele Strecker, in der diese über Frauenfriedenskundgebungen berichtet hatte.

Gabriele Strecker vertrat weiterhin die Positionen des gemäßigten bürgerlichen Flügels der ersten Frauenbewegung um 1900 und setzte sich für eine Fortführung dieser Politik ein. Das bedeutete, dass sie die "natürliche" Rolle der Frau als Hausfrau und Mutter akzeptierte und diese nicht in Frage stellte.[4] Die (partielle) Berufstätigkeit für Frauen und der Status als aktive und gleichberechtigte Staatsbürgerin wurden von ihr als "neue" Rollen für Frauen zwar verstanden,[5] allerdings stellte sie nie die Systemfrage und propagierte vielmehr die Anpassung der Frauen an die männlich geprägte politische Gesellschaft. Diese Erweiterung des alten Frauenbildes hin zu einer aktiveren Rolle der Frau in der Gesellschaft wurde von Strecker in ihren Schriften und Vorträgen immer wieder aufgegriffen und bedeutete eine moderate Aufweichung bzw. Erweiterung ihres konservativ-christlich geprägten traditionellen Frauenbildes.[6]

Publizistisches Wirken – „Der Weg der Frau in die Politik“

Gabriele Strecker verfasste ab 1946 Manuskripte für den Frauenfunk von Radio Frankfurt und den Hessischen Rundfunk. Hinzu kamen Artikel für Zeitschriften und Zeitungen, vor allem Berichte über Konferenzen, aber auch lebensberatende Texte, so zum Beispiel zum Thema Alter.[7] Sie publizierte mehrere Schriften zur staatsbürgerlichen Bildung[8] und eine Betrachtung über die Situation der Frau in den 1960er Jahren,[9] außerdem ein Buch über den Frauenroman[10]. Zwei Jahre vor ihrem Tod veröffentlichte sie ihre Teil-Autobiografie mit dem Titel „Überleben ist nicht genug“[11], darin behandelt sie ausführlich die Jahre 1945 bis 1950.

Nachlass – „Mama in Beruf und Politik“

Übergeben wurde der Stiftung der Nachlass von Gabriele Strecker im Jahr 2000 von der Familie als Schenkung. Die 2,8 laufenden Meter enthalten persönliche Dokumente (z.B. Ausweise, Zeugnisse, Terminkalender), Texte und Vortragsmanuskripte sowie zahlreiche Fotos, die sich auf Streckers vielfältige Aktivitäten in Politik, Journalismus und auf ihr frauenpolitisches Engagement beziehen. Eine große Zahl von Fotografien dokumentiert neben Gabriele Strecker auch viele zeitgeschichtliche Persönlichkeiten und Ereignisse, so zum Beispiel in dem Fotoalbum mit dem Titel: „Mama in Beruf und Politik“. Eine Besonderheit bildet ein Briefwechsel zwischen den Frauenrechtlerinnen Gertrud Bäumer, Helene Lange und Mimi Horn aus den Jahren 1911 bis 1921, der als Sammlung zum Nachlass gehört. Mimi Horn war in den Kriegsjahren eine Patientin von Strecker und hat ihr später diesen Briefwechsel überlassen. Persönliche Korrespondenz ist nur sehr eingeschränkt vorhanden. Der Nachlass kann online in einem Findbuch recherchiert werden.

Weitere Materialien zu Gabriele Strecker finden sich im Hauptstaatsarchiv Hessen im Bestand des Frauenfunks von Radio Frankfurt / Hessischer Rundfunk . Darin enthalten sind Sendemanuskripte und Sendefahrpläne, nur sehr wenige Geschäftsführungsdokumente und nur spärlich HörerInnenpost. Im Bestand des Archivs der christlichen Demokratie in St. Augustin hat Strecker kaum Spuren hinterlassen, teilweise sind Kurzprotokolle der Bundesfrauenvereinigung der CDU vorhanden, aus ihrer Zeit als hessische Frauenvereinigungsvorsitzenden findet sich nichts.

Fußnoten

[1]
Gabriele Strecker: Überleben ist nicht genug, Frauen 1945 – 1950, Freiburg i.Br. 1981,S. 17
[2]
Der Bestand des Deutschen Frauenrings Frankfurt befindet sich im AddF, Signatur NL-K-07.1.
[3]
Vgl. Stefan Appelius: Pazifismus in Westdeutschland. Die deutsche Friedensgesellschaft 1945-1968, Band II, Aachen/Mainz 1991, S. 694.
[4]
So, wenn sie keine Notwendigkeit für die Planung von Kindertagesstätten in zukünftigen Wohnsiedlungen sieht.  Vgl. Kurzbericht über die 21. Sitzung des Sozialpolitischen Ausschusses am 15.01.1958, Archiv des Hessischen Landtages, III. Wahlperiode, S. 22.
[5]
Zum Beispiel betonte sie, dass laut Untersuchungen das „Wahlverhalten der Mutter, ob positiv oder negativ“, das Wahlverhalten der Kinder mehr beeinflusse „als das väterliche Beispiel.“ Gabriele Strecker: Frausein – heute, Weilheim/Obb. 1965, S. 132.
[6]
Zum Beispiel in Gabriele Strecker: Frausein – heute. Vgl.: Tanja Roth: Gabriele Strecker. Leben und Werk einer frauenpolitischen Aktivistin in der Nachkriegszeit, Dissertation, Kassel 2016.
[7]
Vgl. zum Beispiel Artikel und Vorträge zum Thema Alter und Altern. Siehe Findbuch zum Nachlass von Gabriele Strecker in der Stiftung Archiv der deutschen Frauenbewegung.
[8]
Gabriele Strecker: Hundert Jahre Frauenbewegung in Deutschland, Wiesbaden o.J. [1951]; Gabriele Strecker: Der Hessische Landtag. Beispiel des deutschen Nachkriegsparlamentarismus, Bad Homburg v.d.H. [u.a.] 1966; Gabriele Strecker: Gesellschaftspolitische Frauenarbeit in Deutschland. 20 Jahre Deutscher Frauenring. Mit einem Anhang von Gisela Naunin, Opladen 1970.
[9]
Gabriele Strecker: Frausein – heute.
Gabriele Strecker: Frauenträume – Frauentränen. Über den unterhaltenden deutschen Frauenroman, Weilheim 1969.
Gabriele Strecker: Überleben ist nicht genug, Frauen 1945 – 1950, Freiburg i.Br. 1981.

Lebenslauf

  • 27.12.1904

    geboren in Trier, Mutter: Elisabeth Schneider, Vater: Karl Schneider, Konfession: Katholisch.

  • bis 1919

    lebte die Familie in Metz, im Sommer Umzug nach Frankfurt am Main.

  • 1925

    Abitur an der Viktoria Schule in Frankfurt am Main und Beginn des Jurastudiums an der Universität Frankfurt am Main.

  • 1927

    Ein Semester Studium an der Rechtsfakultät der Université de Genève.

  • 1928 bis 1931

    Studium an der Universität Frankfurt am Main. Fächer: Romanische Sprachen, Englische Philologie, Geschichte, Deutsch, ab 1930 Medizin

  • 1930

    Heirat mit Dr. Josef Strecker (1892 - 1960), Frauenarzt

  • 1932 und 1935

    Geburt der Söhne Hans und Peter.

  • 1940 bis 1943

    Studium der Medizin und Promotion.

  • 1943 bis 1946

    Ärztin im Kreiskrankenhaus in Bad Homburg, Mitarbeit in der Praxis ihres Ehemannes

  • 1946

    Teilnahme an der Internationalen Frauentagung in South Kortright, New York, USA

  • 1946 bis 1962

    Frauenfunkleiterin bei Radio Frankfurt (später Hessischer Rundfunk)

  • 1948

    Eintritt in die CDU Hessen.

  • 1949

    Aktiv im neugegründeten Deutschen Frauenring. Seit 1954 dort Leiterin des Referats für Rundfunk und Presse

  • 1950 bis 1960

    Landesvorsitzende der CDU-Frauenvereinigung Hessen.

  • 1952 bis 1954

    Beisitzerin im Vorstand des Deutschen Frauenrings

  • 1952

    Gründerin des Soroptimist-Clubs Frankfurt am Main.

  • 1954 bis 1956

    Als Beisitzerin im Vorstand des CDU-Bundesfrauenausschusses.

  • 1954 bis 1962

    Abgeordnete im Hessischen Landtag.

  • 1960

    Tod Josef Streckers.

  • 1962

    Pensionierung und endgültige Übersiedlung nach Neggio, Tessin.

  • 1962 bis 1966

    Mitglied im Bundesvorstand der CDU.

  • 1962 bis 1970

    Mitglied im Fernsehrat des ZDF als Vertreterin der CDU.

  • 1963 bis 1976

    Vortragsreisen für das Goethe-Institut.

  • 06.08.1983

    gestorben in Bad Homburg.

Recherche

Findbuch Gabriele Strecker

Im Online-Katalog META sind Literaturnachweise, Materialien und Digitalisate zu Gabriele Strecker zu recherchieren

Literatur von Gabriele Strecker (Auswahl)

Strecker, Gabriele: Hundert Jahre Frauenbewegung in Deutschland, Wiesbaden o.J. [1951].

Strecker, Gabriele: Propaganda. An ihrer Sprache sollt ihr sie erkennen, Wiesbaden 1952.

Strecker, Gabriele: Der Weg der Frau in die Politik, 1. und 2. Auflage Bundesgeschäftsstelle der CDU, Bonn 1965, 3.

Strecker, Gabriele: Frausein – heute, Weilheim/Obb. 1965.

Strecker, Gabriele: Der Hessische Landtag. Beispiel des deutschen Nachkriegsparlamentarismus, Bad Homburg v.d.H. [u.a.] 1966.

Strecker, Gabriele: Frauenträume – Frauentränen. Über den unterhaltenden deutschen Frauenroman, Weilheim 1969.

Strecker, Gabriele: Gesellschaftspolitische Frauenarbeit in Deutschland. 20 Jahre Deutscher Frauenring, Opladen 1970.

Strecker, Gabriele: Überleben ist nicht genug. Frauen 1945 - 1950, Freiburg im Breisgau [u.a.] 1981.

Strecker, Gabriele: Sehnsucht nach Frieden, in: Lilith - Die Zeitschrift für junge Mädchen und Frauen 2. Jg., H. 15, 18. August 1948, S. 2-3.

Strecker, Gabriele: Die Frau im Spannungsfeld des Rechtsradikalismus früher und heute. Wie erkenne ich neue Propaganda-Methoden?, in: Informationen für die Frau 2, Nr. 7/8, Juli/August 1953, Anlage C.

Strecker, Gabriele: Zur Geschichte der Frauenbewegung und dem Organisationsbedürfnis der Frauen in der heutigen Zeit. Vortrag, gehalten in der Politischen Akademie Eichholz, in: Civis 4, H. 39, 15. März 1958, S. 217-221.

Strecker, Gabriele: Soziologisch-Politische Bedingtheit des Wesens der Frau, in: Ursula von Mangoldt (Hg.): Eva - wo bist du? Weilheim/Oberbayern 1967, S. 34-44.

Strecker, Gabriele: Von der Frauenbewegung unter Lange-Bäumer bis zur Emanzipation der Gegenwart, in: Brigitte Pross für den Deutschen Frauenring (Hg.): Die Frau verlangt Menschenrechte, Frankfurt am Main 1975, S. 7-14.

Literatur über Gabriele Strecker (Auswahl)

Langer, Ingrid / Ley, Ulrike / Sander, Susanne: Alibi-Frauen? Hessische Politikerinnen im 2. und 3. Hessischen Landtag 1950-1958, Frankfurt am Main 1996.

Roth, Tanja: Gabriele Strecker. Leben und Werk einer frauenpolitischen Aktivistin in der Nachkriegszeit, Dissertation, Kassel 2016.

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