• A-F-NLK16-00045 Generalversammlung des Deutschen Evangelischen Frauenbundes in Stralsund vom 08.-13.04.1927. In der ersten Reihe sind Selma von der Groeben (2. v. links), Paula Mueller-Otfried (am Pult stehend), Adelheid von Bennigsen und Auguste Jorns zu sehen, gemeinfrei.
    A-F-NLK16-00045 Generalversammlung des Deutschen Evangelischen Frauenbundes in Stralsund vom 08.-13.04.1927. In der ersten Reihe sind Selma von der Groeben (2. v. links), Paula Mueller-Otfried (am Pult stehend), Adelheid von Bennigsen und Auguste Jorns zu sehen, gemeinfrei.

    Deutscher Evangelischer Frauenbund (seit 1899)

    An der Schnittstelle von Protestantismus und Frauenbewegung.

Der Deutsche Evangelische Frauenbund

von Cornelia Wenzel

Der Deutsche Evangelische Frauenbund (DEF) prägt seit mehr als 100 Jahren frauenpolitische Bestrebungen in Deutschland mit und bildete zusammen mit dem Katholischen Deutschen Frauenbund und dem Jüdischen Frauenbund zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Troika der großen Organisationen der konfessionellen Frauenbewegung. Sein Archiv und die historische Bibliothek dokumentieren seine Geschichte über mehr als ein Jahrhundert lückenlos und stellen damit einen besonders wertvollen Bestand zur kulturellen Überlieferung der Frauenbewegung dar.

Der DEF in der Frauenbewegung

Der DEF gehört zu den ältesten konfessionellen Frauenorganisationen in Deutschland.[1] Er wurde, wie auch die Frauenhülfe (heute Evangelische Frauenhilfe) und die Frauengruppe der Freien kirchlich-sozialen Konferenz, 1899 in Kassel gegründet, verlegte seinen Vereinssitz aber schon bald nach Hannover, da die erste Vorsitzende, Gertrud Knutzen krankheitsbedingt den Vorsitz niederlegte. Er verstand sich im Gegensatz zu den beiden anderen Gruppen von Beginn an als Bindeglied zwischen protestantischer Kirche und christlichem Engagement einerseits und den frauenpolitischen Bestrebungen der bürgerlichen Frauenbewegungen andererseits.

Im Gründungsaufruf las sich das folgendermaßen: „Es gilt, daß alle Frauen und Frauenvereine, die auf evangelisch-christlichem Boden stehen und an ihrem Teil an der Lösung der Frauenfrage, an der Förderung aller berechtigten Frauenbestrebungen und an der Fruchtbarmachung und Entfaltung der der weiblichen Natur eigentümlichen Gaben und Kräfte für das Volksleben im ganzen mithelfen wollen, sich zu einem großen Deutsch-evangelischen Frauenbunde zusammenschließen. Es gilt [...] im Sinne der religiösen und sittlichen Forderungen des Evangeliums zur Frauenbewegung unserer Tage Stellung zu nehmen und nicht die Behandlung dieser Frage den rein human wirkenden oder gar radikalen und antichristlichen Elementen ausschließlich zu überlassen.“[2]

Diese Positionierung prägte die Verbandsgeschichte sehr eindrücklich und führte zu durchaus widersprüchlichen Ausprägungen. So stellte der DEF im Chor der evangelischen Frauenverbände das fortschrittliche frauenrechtlerische Element dar. Er war der einzige evangelische Frauenverband mit eigenen Organisationsstrukturen (e.V.), der einzige, der ausschließlich von Frauen organisiert und geleitet wurde und der einzige, der grundsätzliche gesellschaftsreformerische Ansprüche anmeldete. In den anderen beiden anfangs genannten Verbänden arbeiteten Frauen unter der Leitung von Pfarrern oder kirchlichen Würdenträgern in der gemeindlichen Sozialarbeit und distanzierten sich mehr oder weniger deutlich von den Bestrebungen der Frauenbewegung.

Für den DEF hingegen galt: „Ziel unserer Gründung ist ein selbständiger Deutsch-Evangelischer Frauenbund, der sich wohl gern Rat holt von erfahrenen Männern, der aber in keiner Weise abhängig von ihnen ist.“[3] Der DEF übernahm einige zentrale Ziele der bürgerlichen Frauenbewegung in sein Programm, vor allem die Forderung nach besserer Mädchenbildung und Verbesserung der Arbeits- und Rechtsschutzbestimmungen. Darin drückte sich die Abkehr vom einzig anerkannten Rollenbild der Frau als Ehefrau und Mutter – bzw. mütterlich (und ehrenamtlich) in der Gemeinde Dienenden – aus, auch wenn betont wurde, dass „der Beruf der Ehefrau und Mutter bei allen Bestrebungen der Frauenbewegung der Hebung der Frauenwelt vorangestellt und als der natürliche Weg zu befriedigender weiblicher Tätigkeit angesehen und unter allen Umständen offen gehalten werde.“[4]

Dennoch waren die Bestrebungen des DEF eindeutig darauf ausgerichtet, durch bessere Bildungs- und Arbeitsmöglichkeiten Frauen eben auch die Wahl einer eigenständigen, ökonomisch unabhängigen Existenz zu ermöglichen.

Im Zusammenhang der Frauenbewegungen des Kaiserreichs und der Weimarer Republik zählte der DEF dennoch zu den konservativen Gruppierungen; das machte sich vor allem an seiner Stellung zum politischen Frauenstimmrecht fest. Er lehnte das Frauenstimmrecht ab und wurde damit im Dachverband Bund Deutscher Frauenvereine, dem er seit 1910 angehörte, zum politischen Gegenpol der radikalen Frauenvereine des linken Flügels. Hier wurde eines der Gründungsziele ganz konkret umgesetzt, nämlich: das Feld nicht „den rein human wirkenden oder gar radikalen und antichristlichen Elementen ausschließlich zu überlassen.“[5] Während der Zeit des Nationalsozialismus gab der DEF seine Eigenständigkeit auf und gliederte sich der Evangelischen Frauenarbeit für Kirche und Gemeinde an, um der Gleichschaltung zu entgehen. 1945 erfolgte die Neugründung, wiederum als e.V. Der DEF wurde in der BRD zu einem der bedeutendsten konfessionellen Frauenvereine und arbeitete mit der Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Frauen in der DDR zusammen. Ab 1989 wurde der Schwerpunkt Arbeit in den Neuen Bundesländern gesetzt, was dort zu zahlreichen Neu- bzw. Wiedergründungen führte. 1999 wurde der DEF 100 Jahre alt.

Ziele, Arbeitsformen und Organisationsgrad

Um seine Ziele zu erreichen, hat der DEF sich im Laufe der Zeit verschiedene Handlungsfelder erschlossen. Mit dem Christlich-Sozialen Frauenseminar (CSF) in Hannover wurde 1905 die erste protestantische soziale Frauenschule Deutschlands eröffnet, in der Frauen für soziale und pädagogische Berufe ausgebildet wurden.[6] Es folgten zahlreiche Kinderheime, Mädchenwohn-, Erholungs- und Arbeiterinnenheime und später auch Altenheime. Neben diesen Einrichtungen für praktische soziale Arbeit und Ausbildung engagiert sich der DEF in kirchlichen, kommunalen und staatlichen Gremien. Die Themengebiete waren und sind vielfältig, sie reichen – um nur wenige Beispiele zu nennen – von Sittlichkeit und Rechtsschutz, Krankenpflege und Kriegshilfsdiensten bis hin zu den 'modernen' Themen Medienarbeit, Bildungsarbeit oder Verbraucherschutz. Von Beginn an trat der DEF mit einer eigenen Zeitschrift an die Öffentlichkeit (Mitteilungen des DEF, Evangelische Frauenzeitung, Anhaltspunkte), die Herausgabe musste erst vor wenigen Jahren aus finanziellen Gründen eingestellt werden.

Der DEF organisiert sich nach Bundesverband, Landesverbänden und Ortsverbänden (in Bayern zusätzlich Anschlussvereine). Einige Zahlen zum Organisationsgrad: 1914 gab es 134 Ortsverbände mit ca. 15.500 Mitgliedern[7], 1929 137 Ortsverbände mit ca. 33.000 Mitgliedern[8], 1974 115 Ortsverbände mit ca. 13.000 Mitgliedern[9] und 1999 100 Ortsverbände mit ca. 10.000 Mitgliedern.[10]

Aktenbestand

Der Aktenbestand und die Bibliothek des DEF wurden der Stiftung Archiv der deutschen Frauenbewegung im Jahr 2006 übergeben. Es handelt sich um einen seit der Gründung des Verbandes (1899) lückenlos geführten, auch von Kriegsschäden verschont gebliebenen Aktenbestand von rund 150 laufenden Metern sowie um eine Bibliothek mit teilweise historischem Buch- und Zeitschriftenbestand mit über 6.000 Büchern, Broschüren und Zeitschriften. Der Bestand hat eine Laufzeit von 1899 bis 2006. Die neueren Verbandsakten werden in den folgenden Jahren weiter an die Stiftung Archiv der deutschen Frauenbewegung abgegeben werden.

Im Bestand befinden sich insgesamt vier Nachlässe und zwar von den Vorsitzenden Paula Müller-Otfried (1865-1946) und Meta Eyl (1894-1952) sowie von der früheren Geschäftsführerin Gertrud Kappeller (1923-1993) und von der Theologin Freda Niemann (1908-1996). Außerdem gibt es ein Fotobestand von ca. 280 Bildern, die digitalisiert und verzeichnet sind. Im Online-Findbuch des Gesamtbestandes lässt sich in fast 3.000 Verzeichnungseinheiten zum DEF recherchieren.

Im Archiv der deutschen Frauenbewegung befindet sich darüber hinaus der Nachlass von Irmgard von Meibom (1916-2001). Diese war ebenfalls DEF-Vorsitzende von 1966 bis 1981.

Fußnoten

[1]
Daneben sind vor allem der Katholische Deutsche Frauenbund, gegr. 1903, und der Jüdische Frauenbund, gegr. 1904, zu nennen.
[2]
Zit. nach: Antwort auf die Herausforderungen der Zeit. 75 Jahre Deutscher Evangelischer Frauenbund 1899-1974, Hannover 1974, S. 8.
[3]
Paula Müller (Hg.): Handbuch zur Frauenfrage. Der Deutsch-Evangelische Frauenbund in seiner geschichtlichen Entwickelung, seinen Zielen und seiner Arbeit, Gr. Lichterfelde-Berlin 1908, S. 10.
[4]
Ebenda, S. 16.
[5]
Antwort auf die Herausforderungen der Zeit, S. 8.
[6]
Das CSF bestand bis 1939, 1947-1958 wurde es als Seminar für kirchlichen Dienst weitergeführt. Zu beiden Institutionen gibt es Akten im DEF-Bestand.
[7]
Gertrud Kappeller: Verantwortung - Antwort auf die Herausforderung der Zeit, 75 Jahre Deutscher Evangelischer Frauenbund, Hannover 1974, S. 10.
[8]
30 Jahre Deutsch-Evangelischer Frauenbund, Hannover o.J. (1929), S. 103.
[9]
Antwort auf die Herausforderungen der Zeit, S. 51.
Verantwortung für sich und andere übernehmen. 100 Jahre Deutscher Evangelischer Frauenbund e.V., in: Anhaltspunkte, Heft 5, 1999, S. 3.

Digitalisate (Auswahl)

 

Die Rechtsforderungen des Deutsch-Evang. Frauenbundes, 1910 - 1911

Mitteilungen des DEF, Oktober 1900

Protokoll der Vorstandssitzung, 12. Dezember 1902

Aufruf des DEF "Frauenpflicht in ernster Zeit", September 1914

Schreiben des Kasseler Ortsvereins betr. Kinderkrankenhaus an den Bundesvorstand, 15. April 1948

 

Recherche zum Deutschen Evangelischen Frauenbund

Findbuch zum Deutschen Evangelischen Frauenbund

Im Online-Katalog META sind Literaturnachweise, Materialien und Digitalisate zum Deutschen Evangelischen Frauenbund zu recherchieren

Literatur aus dem DEF

Müller, Paula (Hg.): Handbuch zur Frauenfrage. Der Deutsch-Evangelische Frauenbund in seiner geschichtlichen Entwickelung, seinen Zielen und seiner Arbeit, Gr. Lichterfelde-Berlin 1908.

Müller-Otfried, Paula (Hg.): 25 Jahre deutsch-evangelischer Frauenbund /, [Hannover] 1924.
30 Jahre Deutsch-Evangelischer Frauenbund, Hannover o.J. (1929).

Deutsch Evangelischer Frauenbund (Hg.): Verantwortung für sich und andere übernehmen. 100 Jahre Deutscher Evangelischer Frauenbund e.V., in: Anhaltspunkte, Heft 5, 1999.

Zeitschriften aus dem DEF im Bestand

Deutsch-Evangelischer Frauenbund: Mitteilungen des Deutsch-Evangelischen Frauenbundes, Hannover 1900-1904, 1948-1956.

Evangelische Frauenzeitung. Zeitschrift für die Interessen der evangelischen Frauenwelt, Berlin/Hannover 1904-1940/41; [N.F.] 1971-1974.

Neue evangelische Frauenzeitung, Hannover 1956-1970.

Aus der Arbeit des Deutsch-Evangelischen Frauenbundes, später Aus der Arbeit des Deutschen Evangelischen Frauenbundes, Hannover 1957-1978.

Anhaltspunkte, Hannover 1975-1999.

Bundesbrief. Mitteilungsorgan des Deutschen Evangelischen Frauenbundes e.V. (DEF), Hannover 1999-2006.

Literatur über den DEF

Ariadne. Almanach des Archivs der deutschen Frauenbewegung, „Im Namen des Herrn? Konfessionelle Frauenverbände 1890 -1933“, Heft 35, Mai 1999; darin besonders: 100 Jahre „Deutscher Evangelischer Frauenbund, S. 3-5; Sabine Hering: Der „Deutsch-Evangelische Frauenbund“ – Eine Fallstudie über die Wechselbeziehungen zwischen der Verbandsspitze und ihrer Basis, S. 16-19.

Kuhn, Halgard: Der Deutsch-Evangelische Frauenbund und die bürgerliche Frauenbewegung - ein nicht immer einfaches Miteinander, in: Irina Hundt / Ilse Kischlat: Zwischen Tradition und Moderne, Berlin 2002, S. 47-71.

Kappeler, Gertrud: Antwort auf die Herausforderungen der Zeit. 75 Jahre Deutscher Evangelischer Frauenbund 1899-1974, Hannover 1974.

Ruder, Dagmar: Der Deutsch-Evangelische Frauenbund und die Sittlichkeit m Kontext der deutschen Frauenbewegung bis 1933 Hochschulschriften Heidelberg, Heidelberg 1989.

Archiv der deutschen Frauenbewegung
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