Jahresserie #40JahreAddF
#40JahreAddF
8. März 1984 – Internationaler Frauentag
Dieses Datum hatten die Initiatorinnen des Archivs der deutschen Frauenbewegung sehr bewusst für die Eröffnung gewählt. Denn sie hatten nicht weniger vor, als endlich einen Ort zu schaffen, an dem die Quellen zur #Frauenbewegung des 19. und frühen 20. Jahrhunderts zusammengetragen werden sollten. Es galt, die Geschichte der vielen Vorkämpferinnen vor dem Vergessen zu bewahren, sie für gegenwärtige und zukünftige Kämpfe nutzbar zu machen. Wann, wenn nicht am Internationalen Frauentag, war der richtige Moment, mit diesem Vorhaben an die Öffentlichkeit zu treten?
Am 8. März 2024 kann das Archiv der deutschen Frauenbewegung auf 40 bewegte Jahre zurückblicken – auf Erfolge und Rückschläge, auf erfüllte und enttäuschte Hoffnungen, auf ergriffene und vertane Chancen, auf entschiedenen Gestaltungswillen und überbordende Bürokratie, auf die fragile Balance von selbstbestimmter und selbstausbeuterischer Arbeit, und auf viele, viele Diskussionen. Es war so aufregend wie anstrengend, so energiegeladen wie kräftezehrend, so schöpferisch wie erschöpfend. Nur langweilig war es nie. Und das Vorhaben wurde in einem Ausmaß realisiert, das sich anfangs wohl keine hatte vorstellen können.
Blickt in unserer Jahresserie #40JahreAddF gemeinsam mit uns zurück auf 40 #frauenbewegt|e Jahre - von der ersten Idee, ein Archiv für Frauengeschichte zu eröffnen, bis zu unseren aktuellen Projekten.
#40JahreAddF
Der Anfang
„Es war einmal ein Aushang in einem Frauenbuchladen….“
Ein Anfang, der bei uns im AddF fast zu so etwas wie einem Mythos wurde und wie der Beginn eines Märchens klingt. Aber so hat sie eben angefangen, die Geschichte des AddF.
Was war passiert?
Sabine Hering arbeitete an der Gesamthochschule Kassel und hatte 1983 bei einem Plenum und der anschließenden Arbeit im nahegelegenen Archiv der Jugendbewegung festgestellt, dass ein Archiv, das zentral Dokumente zur deutschen Frauenbewegung aufbewahrte, nicht existierte.
Höchste Zeit, dies zu ändern.
Um Mitstreiterinnen zu finden, hängte sie für ein erstes Treffen einen Zettel im Aradia Frauenbuchladen in Kassel aus, mit dem sie ihr Vorhaben, ein Archiv der ersten Frauenbewegung zu gründen, in die Welt trug.
Unsere ehemalige Kollegin Gilla Dölle sah diesen und war überzeugt, dass sie sicherlich schon zu spät sei, denn ihrer Meinung nach müssten sich schnell mindestens 100 Frauen finden, die dieses Vorhaben unterstützen wollen.
Es kam aber anders; das erste Treffen bestritten die beiden zu zweit.
Funfact – der Verein „Archiv der deutschen Frauenbewegung e.V.“ war bereits gegründet, die ersten Frauen zur Mitarbeit kamen im Laufe des Jahres 1983 durch Kontakte und Mund-zu-Mund-Propaganda dazu.
Bis Ende des Jahres fand sich eine Gruppe von sieben Frauen, die sich an die Arbeit machten, um zu sammeln, zu forschen, zu schreiben und auf die Geschichte der Frauenbewegung aufmerksam zu machen. Ziel war, Verborgenes und Vergessenes auszugraben.
Die offizielle Eröffnung des Archivs der deutschen Frauenbewegung wurde in eigenen Räumen zum Internationalen Frauentag 1984 im Philippinenhöfer Weg 83 gefeiert.
Was die Frauen der ersten Stunden dazu bewegte, die Arbeit aufzunehmen und einen Ort wie das Archiv der deutschen Frauenbewegung zu erschaffen, erfahrt ihr in den nächsten Folgen von ihnen selbst.
#40JahreAddF
Der Anfang - Sabine Hering
Die Initiatorin des AddF steht heute im Mittelpunkt unseres ersten O-Tons: Sabine Hering.
Sie gründet Mitte Februar 1983 mit sechs Frauen den Verein „Archiv der deutschen Frauenbewegung“. Daraufhin werden Mitstreiterinnen für ihre Idee eines Sammlungs-, Forschungs- und Bildungsortes gesucht. Im Interview reflektiert sie den Reiz des Anfangs.
„Dann haben wir relativ schnell angefangen, uns Gedanken zu machen über die Aufgabenfelder als Archiv und Dokumentationszentrum, also diese Trias aus Sammeln, Bildungs- und Kulturarbeit und Forschen. Dann kam die Idee, die „Ariadne“ zu machen – damals glaub ich monatlich. . Nach heutigen Standards würde man natürlich fragen, was das denn war, aber für uns war es der Weg, uns überhaupt mit den Protagonistinnen vertraut zu machen. Wir waren damals ja in der Situation, wo man wusste, es gab Helene Lange und Clara Zetkin. Aber wen eigentlich noch? Wir hatten dann also die Möglichkeit nach anderen Frauen zu suchen und zu fragen: Was ist denn der Bund deutscher Frauenvereine? Wie war damals die Struktur? Was gab es schon alles, was wir alles gar nicht gewusst haben. Das war das Aufregende am Anfang, sich überhaupt klar zu machen: Was war damals Frauenbewegung, was haben die schon geschrieben und was haben die alles Wunderbares gemacht? Das war also die erste Zeit!"
Dr. Sabine Hering ist Sozialwissenschaftlerin mit dem Schwerpunkt Geschichte, Initiatorin und Gründerin des AddF. Sie arbeitete von 1983 bis 1991 im AddF, vor allem im Bereich Forschung, ist Gründungstifterin und war von 2003 bis 2012 im Vorstand der „Stiftung Archiv der deutschen Frauenbewegung“. Von 1993 bis 2012 war sie u.a. Professorin für Gender, Sozialpädagogik und Wohlfahrtsgeschichte, Direktorin des Kompetenzzentrums und Sprecherin des Zentrums für Gender Studies an der Universität Siegen. Heute ist sie vielfältig ehrenamtlich aktiv, baute als Beraterin das Digitale Deutsche Frauenarchiv mit auf und ist Sprecherin im Frauenpolitischen Rat im Land Brandenburg mit dem Schwerpunkt Frauen Orte. Das Interview mit ihr wurde im Oktober 2023 geführt.
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Der Anfang - Gilla Dölle
Gilla Dölle arbeitet in den frühen 80er Jahren im Frauenbuchladen Aradia, wo sie den Aushang von Sabine Hering sieht. Sie ist sofort Feuer und Flamme und die einzige Teilnehmerin des ersten Treffens des Archivs. Im Interview redet sie über die Anfänge des AddF und den Aufbau des Archivs.
„Wir wollten die Themen an die Frau bringen. Und das ging natürlich nicht, indem wir die irgendwelche Kästen stellen würden, wobei wir auch ehrlicherweise nicht viel Ideen hatten von einem Archiv. Wir haben die ersten Jahre dann letztendlich eher an dem Aufbau der Bibliothek gearbeitet und das Archiv kam dann sehr viel später in entsprechendem Umfang dazu. Für uns war von Anfang an klar: Es muss Veranstaltungen geben, wir müssen Öffentlichkeitsarbeit machen, wir wollen Projekte starten, wir wollen in der Forschung was machen und dafür brauchen wir diese Materialien. Die Erfahrung war, dass es über viele Bewegungen des 19. Jahrhunderts irgendwelche Orte gab, wo die Materialien lagen, aber der Befund war auch, dass es für die Frauenbewegung eben keinen Ort gab. Und das hat uns natürlich tierisch gefuchst, so nach dem Motto: typisch, wie immer. Natürlich haben wir irgendwann auch verstanden, es gibt viele Gründe, warum es diese Materialien nicht gab - aber einer lag in der Missachtung von Frauen und Frauenthemen. Und das war natürlich unser Motor. Wir wollten immer - und das steht auch in der Satzung von Beginn an – dass es diese drei Säulen geben sollen, gedacht war, dass mit den Materialien gearbeitet werden soll. Und wir haben uns immer einen ganz lebendigen Ort vorgestellt.“
Dr. Gilla Dölle absolvierte ein Staatsexamen für Lehramt am Gymnasium, ist Buchhändlerin und Sozialwissenschaftlerin. 1983 war sie die erste, die Sabine Hering in ihrem Vorhaben unterstützte. Sie war die erste Mitarbeiterin des AddF und arbeitete bis zum Renteneintritt 2021 im Archiv - ganze 38 Jahre! Sie war zuständig für die Geschäftsführung und arbeitet heute noch ehrenamtlich weiter, u.a. im Vorstand des Fördervereins „Freundinnen des Archivs der deutschen Frauenbewegung e.V.“; zudem ist sie Zustifterin.
Das Interview mit ihr wurde in mehreren Teilen von August bis November 2023 geführt.
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Der Anfang - Cornelia Wenzel
Cornelia Wenzel kommt im Herbst 1983 zum Archiv der deutschen Frauenbewegung, eine Freundin hatte sie neugierig gemacht eines der Montagstreffen zu besuchen und sie blieb. Im Interview erklärt sie ihre Motivation und was ihr als Impuls wichtig war.
„Also am Anfang war es wirklich dieses Ausgraben, was Frauen in der Geschichte gemacht haben, was alles vergessen worden ist. Und was es alles gegeben hat, wovon wir nichts wussten. Wir hatten alle keine Ahnung, was ein Archiv ist. Wir wussten auch nicht, wie sich ein Archiv von einer Bibliothek unterscheidet, wir kamen alle fachlich nicht aus dieser Richtung, ich auch nicht. Das ist alles erst viel später gekommen. Am Anfang war die Faszination, wie total spannend das alles ist, was es schon gegeben hat und wer für was schon wann gekämpft hat und dass zum Beispiel der §218 schon in den 1920er Jahren ein Thema gewesen war. Wir dachten, den Kampf dagegen haben wir gerade erfunden und dann war es alles schon da gewesen!
Wir hatten etwas entdeckt, was uns total begeisterte. Jeder Gedanke an Berufsaufstieg, Karriere oder sonst was war damals völlig zweitrangig. Wir haben ja alle irgendwo gejobbt. Also ich hatte auch mein Studium durch schon gejobbt, um irgendwie Geld zu verdienen. Und das ging einfach so weiter. Wir haben irgendwo unser Geld verdient zum Lebensunterhalt. Das Eigentliche, was wir gemacht haben, war aber das Archiv. Es gab schon die Hoffnung, irgendwann kriegen wir das auch mal bezahlt, aber erstmal waren wir mit allem Möglichen beschäftigt, um uns zu ernähren, so nebenbei, aber wir sind jeden Tag ins Archiv gestiefelt und haben dort unsere eigentliche Arbeit gemacht.“
Cornelia Wenzel, Schaufenstergestalterin, Sozialarbeiterin, Wissenschaftliche Dokumentarin, arbeitete von 1983 bis zum Renteneintritt 2019 im AddF und ist damit die erste Mitarbeiterin, die nach 36 (!) Jahren aus dem AddF heraus in Rente gegangen ist. Sie baute den Archivbereich auf und war mehr als zwei Jahrzehnte im Leitungsteam tätig. Heute ist sie im Vorstand des „Archivs für alternatives Schrifttum Duisburg“ (afas) engagiert und arbeitet weiterhin freiberuflich für das AddF. Die Interviews mit ihr führte Elke Schüller im November 2023.
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ArchivOrte - Die Adressen des AddF
In der Zeit seines Bestehens hatte das Archiv der deutschen Frauenbewegung drei feststehende Adressen: den Philippinenhöfer Weg 83, Sommerweg 1B und die Gottschalkstraße 57.
Das erste Domizil des AddF bestand aus zwei Räumen im Nebengebäude der Schule Am Warteberg, einer Grundschule am Stadtrand, die die Stadt Kassel zur Verfügung gestellt hatte. Innerhalb weniger Jahre waren diese Raume im Philippinenhöfer Weg 83 zu klein geworden.
Der Lese- und Veranstaltungsraum wurde zum Magazin, Nutzerinnen saßen improvisiert an Tischchen zwischen den Regalen, Veranstaltungen mussten an anderen Orten stattfinden. Verhandlungen mit der Stadt Kassel um größere Raume waren langwierig und führten 1988 zum Umzug in drei Pavillons auf dem Schulhof der Unterneustädter Schule, die zentraler gelegen war.
Ein wirklich gut geeigneter Ort war aber auch dieser Standort im Sommerweg 1B nicht, was sich zum Beispiel am gelegentlich undichten Flachdach zeigte. Katastrophal für die Arbeit mit Papier und Kulturgut! Der Umzug dorthin und die Feier zum 5-jahrigen Bestehen des AddF standen deshalb unter dem Motto „Vom Provisorium zur Übergangslösung“.
Die Suche nach besser geeigneten Räumen ging nach kurzem Durchatmen weiter. Zum qualitativen Sprung wurde 1996 das Hinterhaus in der Gottschalkstraße 57, in dem die Büros bis heute sind. Es konnte sogar teilweise nach den Wünschen der Mitarbeiterinnen gestaltet werden und liegt mitten im Uni-Viertel - perfekt für Veranstaltungen, die Akquise von Nutzer:innen und guten Kaffee!
Im Laufe der Zeit vergrößerte sich das AddF noch um einen weiteren Büroraum im Vorderhaus, aber auch das hilft nicht auf Dauer, um den beengten Verhältnissen von Mensch und Material Abhilfe zu schaffen. Offenen Auges ist das AddF auf Raumsuche!
Denn, noch nicht mit eingerechnet in diese Adressen sind unsere Depotflächen, für die wir stetig neu Quadratmeter brauchen. Aber mehr dazu im nächsten Post.
#40JahreAddF
ArchivOrte - Raumnot in den Depots
Der größte Erfolg des AddF war und ist sicherlich der Sammlungsaufbau, der Bestand wuchs und wächst kontinuierlich. Wir dürfen uns weiterhin über Vor- und Nachlässe, Aktenbestände verschiedenster Organisationen und Institutionen freuen und nehmen auch ab und an allerhand Kurioses in unsere Bestände auf – man denke z.B. an Objekte wie die Schulglocke oder Gymnastikbälle der Gymnastikschule Schwarzerden. Doch wohin damit?
Bereits 2006 musste das erste Außenmagazin, eine ungenutzte Kegelbahn im Philipp-Scheidemann-Haus umgebaut und als Depotfläche umgenutzt werden. 2014 folgte ein weiteres Depot im Dachgeschoss des ehemaligen Polizeipräsidiums im Königstor Kassel, das wir übergangsweise bis 2024 anmieten konnten. Leider mussten wir in den letzten Tagen aus diesem Depot ausziehen und haben bisher nur eine Übergangslösung bis 2025 gefunden.
Die (fehlenden) Räume sind seit Jahren ein riesiges Problem unseres Archivs.
Denn das AddF beherbergt heute annähernd 1.000 Regalmeter Archivgut, also Nachlässe von Frauen und Frauenorganisationen, und etwa 12.000 Fotos, dazu fast 40.000 Bücher und mehr als 2.600 Zeitschriftentitel.
Es wächst weiter, denn erfreulicherweise wird es von immer mehr #frauenbewegten Akteurinnen und Frauenorganisationen als sicherer Ort für ihre Unterlagen in Anspruch genommen.
Die Suche nach dem optimalen Standort dauert an, alle Mitarbeiterinnen und Förder:innen bemühen sich, sie nicht zu einer unendlichen Geschichte werden zu lassen.
Am 11. Mai ist traditionell der „Tag der Frauenarchive“ und wir möchten das zum Anlass nehmen, euch von der Geschichte des AddF nun einmal in die JETZT-Zeit zu bringen.
Wir haben unsere Kolleginnen involviert und anlässlich #40JahreAddF wird euch jede unserer Mitarbeiterinnen im Mai ihr #Lieblingsstück aus dem AddF vorstellen.
Vom Alltagsgegenstand, Lieblingsort bis hin zum Archivale, Nachlass oder Dokument findet sich alles wieder.
Seid gespannt auf unsere #Lieblingsstücke.
#40JahreAddF
Der Lieblingsort von Kerstin Wolff: das Magazin
"Wer hat das schon?!
Immer wenn mir bei meinen Forschungen in einer Fußnote eine interessante Literatur entgegenspringt oder ein Verweis auf eine interessante Quelle zu finden ist, muss ich einfach nur zwei kleine Treppen runter laufen, eine Stahltür aufmachen und schon stehe ich in meinem #Lieblingsort im AddF – im🔸Magazin.
Was hat Helene Lange 1913 in 'Die Frau' geschrieben? Minna Cauer 1900 in 'Die Frauenbewegung'? Clara Zetkin 1907 in 'Die Gleichheit'? Anita Augspurg 1925 in 'Die Frau im Staat' oder Louise Otto-Peters 1885 in den 'Neue Bahnen'?
Kein Problem – Die Antwort liegt hinter der Stahltür und ich habe den Schlüssel dafür!
Alleine der Geruch nach altem und staubigem Papier lässt mein Forscherinnenherz höher schlagen; gleichzeitig weiß ich aber auch jedes Mal, dass ich es nie schaffen werde, all die spannenden Buchtitel im Magazin zu lesen. Ich werde auch nie alle Zeitschriften auswerten können und nach wie vor gibt es Titel, von denen ich noch nicht einmal im Ansatz weiß, was sich verbirgt.
'Neue Generation' von Stöcker – weiß ich, auch 'Der Abolitionst' von Katharina Scheven ist mir bekannt.
Aber was verbirgt sich hinter 'Monika' oder 'Libelle'? Fraglich ist auch, warum im Magazin das 'Eremiten-Alphabet' aus den Jahren 1987 und 1988 steht. Da werde ich wohl mal reinschauen müssen, irgendwann, wenn mich mein Weg wieder einmal ins Magazin des AddF geführt hat."
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Das Lieblingsstück von Barbara K.: das Physikheft von Marta Neumayer von 1917/18
"Aus unseren Beständen mag ich besonders das Physikheft aus dem Schuljahr 1917/18 von Marta Neumayer.
Sie war damals etwa 17 Jahre alt und hat darin Themen aus dem Physikunterricht aufgeschrieben und mit Illustrationen versehen. Darin kann man zum Beispiel die 'Lehre vom Schall!', 'Brechung des Lichtes' und 'Der konvexe Spiegel' nachlesen.
Sie hat die Texte wohl selbst formuliert, denn die Lehrkraft hat einiges in Rot korrigiert und auch bewertet.
Die Bewertungen reichen von 'Schlechte Arbeit' über 'zufrieden' bis zu 'fleißig'.
Dabei hat Marta so ordentlich geschrieben und wirklich hübsch gemalt und gezeichnet.
Das Heft ist schön anzuschauen, aber ich bin froh, dass ich nicht damals zur Schule musste, wenn das das Niveau für 'zufrieden' war."
📷: Bestand AddF, Sign.: NL-K27;123-2
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Das Lieblingsstück von Barbara G.: Büroklammern
Wer kennt sie nicht, die kleine Metallklammer, die Papiere zusammenhält… Seit der Erfindung der Büroklammer in den 1890er Jahren gibt es sie in vielen Varianten, zahlreichen Größen und Formen. Die Klammer war und ist auf vielen (Schreib-)Tischen, auf denen (noch) mit Papier gearbeitet wird, bis heute nicht wegzudenken.
Wir finden sie im Rahmen des Bearbeitungsprozesses in den uns übergebenen Aktenordnern aus Beständen und Nachlässen wieder. Die Büroklammern stammen aus unterschiedlichen Jahrzehnten und wurden manchmal in sehr großer Zahl verwendet.
2021 haben wir eine Woche die entnommenen Büro- und Heftklammern gesammelt. Am Ende zeigte die Waage über ein Pfund Klammern an (genau 520 Gramm). Gezählt waren es über 1.500 Büroklammern. Einige der Klammern hatten schon – dank ihres langjährigen ‚Engagements‘ – Rost angesetzt.
Der Rost der Klammern kann im Laufe der Zeit zu Papierschäden führen. Damit das für uns so kostbare beschriebene Papier auf dem sich z. B. Manuskripte, Briefe, Erinnerungen oder Protokolle befinden, keinen weiteren Schaden nehmen kann, wird es im Verlauf der Bearbeitung von allen Büro- und Heftklammern – also einfach von allem es umgebenden Metall – befreit, dann gereinigt und schlussendlich ganz ohne Metall, auf eine Schlauchbindung und zwischen zwei säurefreien Deckeln aufgezogen und in einem Archivkarton gelagert. Die Archivkartons landen dann in unseren Regalen im Depot. Dieser Prozess des sogenannten Umbettens ist sehr wichtig für die Bestandserhaltung und die dauerhafte Überlieferung des Papiers. Die Arbeit wird von den Mitarbeiterinnen ebenso wie von zwei engagierten Ehrenamtlichen geleistet.
Die Büroklammer hat zusammen geklammert, was zusammen gehören sollte. Sie ist für uns – wie in allen anderen Archiven auch – jedoch am Allerschönsten, wenn sie das Papier nicht mehr schmückt oder zusammen hält, sondern wenn dieses metall- und Büroklammer-frei – also umgebettet – in einem Archivkarton liegt.
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Das Lieblingsstück von Michaela: Tagebuch und maschinenschriftliche Erlebnisberichte/Briefe von Tona Baur.
Darin geschildert Baurs Zeit in Gefängnissen und im KZ Ravensbrück sowie über den Verrat durch Dagmar Imgart. Alles zu finden in NL-P-02 ; 1-1/1-2.
"Die Gießener Lehrerin Tona Baur wurde am 12. September 1892 geboren und starb am 23. September 1977.
Im Nationalsozialismus widersetzte sie sich den Nazis, schloss sich der Bekennenden Kirche an und nahm an den sogenannten „Freitagskränzchen“ Teil, bei denen sich widerständige Personen aus dem Raum Gießen und dem Kreis um die Männer Alfred Kaufmann und Heinrich Will trafen und regelmäßig sogenannte „Feindsender“ konsumierten.
Eine damalige Bekannte Baurs, die Schwedin Dagmar Imgart, entpuppte sich als Gestapo-Spitzel der Abteilung „Kirchliche Aufklärung“ und ließ die Runde auffliegen. Kurz darauf, am 6. Februar 1942, wurde das „Freitagskränzchen“ gestürmt und die Beteiligten verhaftet. Damit begann für Tona eine langwierige Reihe von Gefängnisaufenthalten. Ihren vielzähligen Kontakten gelang es meist erfolgreiche Gnadenerlasse zu erwirken, doch die Repressionen hörten nicht auf.
Schließlich wurde sie am 5. April 1943 in das KZ Ravensbrück deportiert, wo sie bis zum 11. Oktober 1943 eingesperrt war.
Die Aufzeichnungen von Tona Baur beschreiben neben ihrem alltäglichen Leben im Nationalsozialismus und in Zeiten des Krieges, ihre persönliche Verfolgungsgeschichte. Diese einzigartigen Dokumente lassen uns Geschichte nachvollziehbar machen, was insbesondere mit der voranschreitenden Distanz zum NS und dem Sterben der Zeitzeug:innen aus eben dieser Zeit wertvoll ist.
Es ist unglaublich, dass diese Schriftstücke Baurs Stationen der NS-Verfolgung überstanden haben."
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Jacquelines Lieblingsstück/Lieblingsort: Die drei Stufen vor dem Eingang des AddF
Drei Stufen sind es nur, aber trotzdem sind sie für mich ein Lieblingsstück im AddF und dies aus vielerlei Gründen.
Ich arbeite seit Anfang 2021 im Leitungsteam des AddF und bin für Finanzen, Organisation, Personal und Lobbyarbeit zuständig. Als ich das erste Mal diese drei Stufen nahm, war ich zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen. Ich war aufgeregt, gespannt und wurde als die weiße Haupttür sich öffnete nett empfangen. Das Eis war somit gebrochen, die Nervosität war vorbei.
Ich steige sehr gerne diese Treppe und schließe die Tür auf, freue mich jedes Mal Teil des Kollegiums dieser schönen und interessanten Arbeitsstätte zu sein.
Diese Treppe ist auch das Nadelöhr. Hier muss jede:r und alles durch um ins Haus zu kommen, hier saßen wir schon öfter bei sehr warmen Temperaturen im nachmittäglichen Schatten und es gab 'ne Runde Eis.
Diese Treppe ist auch gut geeignet um Gruppenfotos zu machen. Die letzten Fotos gab es zu unserer internen Feier mit allen ehemaligen und aktuellen Kolleginnen am 08. März dieses Jahres als wir unseren 40. Geburtstag gemeinsam gefeiert haben.
Wenn ich mal zu lange am Schreibtisch gesessen habe, zu viele Telefonate geführt oder mir zu viele Zahlen angesehen habe, nutze ich meine 2. Leidenschaft das Gärtnern, und pflanze neue Pflanzen oder jäte Unkraut.
#40JahreAddF
Lieblingsstück von Christina: der Bestand zu Minna Cauer
Mein Lieblingsstück ist genau genommen mehr als eines, denn es handelt sich um Fotos, Briefe und Zeitschriften - kurz: unseren Bestand - zu Minna Cauer.
Als ich 2022 mit der Arbeit im AddF begann, startete ich direkt mit der Social Media Jahresserie #100JahreCauer, die wir anlässlich Minna Cauers 100. Todestag entwickelten.
In diesen Wochen und Monaten bin ich mit der Vertreterin des radikalen Flügels der Frauenbewegung richtig vertraut geworden und ihr Bestand ist der, bei dem ich mit größter Sicherheit über Rechte, Verfügbarkeit und Inhalte bescheid weiß.
Ich finde faszinierend, wie sie über die frühen, einschneidenden Schicksalsschläge in ihrem Leben hinwegkam und sich stattdessen vehement für die Rechte von Frauen einsetzte.
Cauers Eigenheiten und ihr häufig an den Tag gelegtes Pathos machen sie für mich zu einer sehr interessanten und ambivalenten Persönlichkeit, über die ich immer gerne mehr erfahre und deren Porträts mir gehörig Respekt einflößen.
Besonders schön finde ich daher das Foto aus ihrer Homestory für das Magazin „Die Woche“, weil es sie so nahbar macht.
Meiner Meinung nach könnte übrigens langsam mal eine Biografie über sie geschrieben werden – ich könnte bei der Sichtung der Materialien im AddF gerne behilflich sein (ich hoffe, jemand versteht meinen Wink mit dem Zaunpfahl und macht sich an die Arbeit).
📷: LAB E Rep. 300-36 Nr. 3
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Das Lieblingsstück von Mirjam: Vor- und Nachher Bilderpaar
Mein „Lieblingsstück“ im AddF ist ein Bilderpaar. Es besteht aus einem Vorher- und Nachherbild und zeigt typisches Archivmaterial vor und nach der Erfassung.
Ich präsentiere dieses Bilderpaar den Gruppen, die das AddF besuchen und mehr über seine Arbeit und über Frauengeschichte erfahren möchten.
Die beiden Bilder zeigen, wie aus einem wirren Haufen vergilbter, angefressener, brüchiger und mit rostigen Klammern gespickter Papiere schließlich ein in Kartons akkurat geordnetes Dokumentenerbe wird. Stets sind die Besucher*innen von dieser auffälligen Verwandlung sehr beeindruckt. Ihr Erstaunen wird zu tiefergehender Erkenntnis, wenn ich ausführe, wie wichtig diese konservatorische Arbeit ist und wie viel Zeit und entsprechende Mittel sie beansprucht.
Ich versuche, Wissen um diejenigen Abläufe zu vermitteln, die im meist unbeachteten Hintergrund einer typischen Hilfswissenschaft geschehen, die aber Basis jeder historischen Forschung sind. Datensätze für Kataloge und Datenbanken füllen sich nicht von selbst; neue Materialien müssen gesucht, gefunden, erworben und akribisch erfasst werden; ihr Erhalt für die Nachwelt wird ständig von Verfall und Luftfeuchtigkeit bedroht, weshalb viel teure Technik eingesetzt werden muss, um wenigstens die Inhalte digital zu konservieren.
Wenn dann nach der Präsentation und Erläuterung des Bilderpaares aus der Gruppe interessierte Fragen zu den Beständen und der Arbeitsweise des AddF folgen, liegen darin meist schon Verständnis und große Wertschätzung für den wichtigen Auftrag, den das AddF erfüllt. Ich erlebe, in einem persönlich sehr wohltuenden Moment, wie diese Wertschätzung auch mir als Mitarbeiterin gilt.
Erscheint es auf den ersten Blick als verhältnismäßig geringe Leistung, als Historikerin in einer Bibliothek für die politische und gesellschaftliche Anerkennung von Frauen zu wirken, so halte ich es doch mit Rosa Luxemburg, die die politische „Aufklärung im alltäglichen Kampf“ (Protokoll über die Verhandlungen des Parteitags der SPD, Stuttgart 1898, S. 117) als unverzichtbar erachtete, wenn man die Zukunft wirklich gerechter gestalten will.
#40JahreAddF
Lieblingsstück von Laura: Kalenderblatt von Nora Platiel
Dekorativ an meinem Schreibtisch hängt das Kalenderblatt von Nora Platiel aus dem Juni 2013 vom Kalender der Roten Hilfe. Es ist mein Lieblingsstück und zeigt die Juristin, Sozialistin, Widerstandskämpferin und spätere Kasseler Politikerin.
Mein Erstkontakt zu dieser faszinierenden Frau war 2005 während meines Studienpraktikums. Ich stellte Bilder, Zeitungsausschnitte und eine Kurzbiografie zusammen, ging ins Stadtarchiv Kassel und recherchierte zu ihrer politischen Heimat dem Internationalen Sozialistischen Kampfbund. Das war ein toller Anfang. Denn über viele Jahre kamen für mich immer mehr Mosaiksteine über die 1896 geborene Juristin zusammen, die in ihren jungen 20ern studierte und früh in ihren Artikeln über die Rechte von Frauen und Arbeiter:innen aufklärte.
Viele Informationen sind damals in den Stadtrundgang eingeflossen, aber eine so spannende Biografie ist einfach zu vielfältig.
Da ist Sonniges und Kraftvolles wie der Entschluss einen zweiten Bildungsweg einzuschlagen, bei erster Gelegenheit Jura zu studieren, um Anwältin zu werden, gegen alle Widerstände und Vernunft Mutter zu werden.
Da ist aber auch Schattiges wie die Exil- und Fluchtzeit, nirgendwo ankommen zu können, sei es als Verfolgte des NS-Regimes, abgelehnt zu werden als Sozialistin, als Staatenlose, als intellektuelle Frau.
Mir liegen all diese verschiedene Kapitel ihres Lebenswegs vor dem inneren Auge, wenn ich das Kalenderblatt betrachte. Das Porträt mit dem offenen Blick und der Denkerinnen-Pose von Platiel, diese changierenden, aufgeschichteten Teile ihrer Lebensgeschichte spiegeln sich für mich darin. Der kopierte Fotoabzug aus den 1960er Jahren ist nicht nur eine schöne Ergänzung von der Originalvorlage, sondern mehr die feine Erinnerung, es ist nicht alles schwarz und weiß und wenn doch, muss es nicht so bleiben.
#40JahreAddF
Lieblingsstück von Tamara: Fotoalbum der Gymnastikschule Schwarzerden
Das Fotoalbum der Gymnastikschule Schwarzerden aus dem Jahr 1932 ist mein Lieblingsobjekt, weil es einen Einblick in den Alltag der Schulgründerinnen, Lehrerinnen und Schülerinnen über mehrere Monate ermöglicht.
Während Fotos sonst meist einzelne Ereignisse, die für die Fotograf:innen eine besondere Bedeutung besaßen, dokumentieren, kann ich hier die Schwarzerdnerinnen über einen längeren Zeitraum begleiten. Dabei erhalte ich sowohl einen Einblick in die Innenräume der Schulgebäude und Lehrerinnenwohnräume, der auf den meisten anderen Fotos verwehrt bleibt als auch in die Freizeitaktivitäten der Lehrerinnen.
So machten etwa Elisabeth Vogler und Tilla Winz Motorradausflüge, es wurde viel Ski gefahren und Zeit in der Natur verbracht.
Auch das Leben außerhalb der Schule spielt eine Rolle, etwa durch die Dokumentation einer Hochzeit in einer befreundeten Bauernfamilie. Zu diesem Anlass waren die Schwarzerdnerinnen eingeladen und die Schülerinnen erhielten schulfrei.
Es ist davon auszugehen, dass die über 400 sehr kleinformatigen Fotografien, welche im Album eingeklebt und durchnummeriert wurden, von Marta Neumayer stammen. Sie gehört zu den Gründerinnen der Frauensiedlung und späteren Gymnastikschule Schwarzerden und fotografierte in ihrer Freizeit gerne und viel. Genau lässt sich dies jedoch nicht feststellen, da keines der Fotos über einen Urheber:innennachweis verfügt.
Sign.: NL-K-27 ; 163-4.
#40JahreAddF
Lieblingsstück von Mette: höhenverstellbarer Schreibtisch
Mein liebster Gegenstand im AddF ist mein Schreibtisch bzw. mein Stehtisch!
Als ich bei meinem Vorstellungsgespräch das Leitungsteam über meine Skoliose, die mir das Sitzen nahezu unmöglich macht, informierte, wurde das weder als Problem noch als Hindernis für meine Arbeit angesehen. Dies war nämlich meine größte Angst: Meinen Traumberuf aufgrund meiner Einschränkungen nicht nachgehen zu können.
Diese Angst wurde mir sofort genommen, als das Leitungsteam sagte: „Kein Problem! Wir schaffen für dich einen höhenverstellbaren Schreibtisch an!“ Aus diesem Grund hat mein Schreibtisch eine wichtige arbeitstechnische sowie emotionale Bedeutung und ich bin dem AddF jeden Morgen dankbar, dass mir ein schmerzfreies Arbeiten ermöglicht wird. Mein Schreibtisch ist mir so wichtig – ich sollte über einen
Namen für ihn nachdenken.
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Lieblingsstück von Helke - Westdeutscher Frauenfriedenskongreß, Velbert, 1951, Manifest
Während meiner Arbeit im Forschungsprojekt zur Frauenfriedensbewegung nach 1945 fand ich in den Archivalien zur Westdeutschen Frauenfriedensbewegung dieses Dokument.
Dieses Manifest entstand im Zusammenhang mit den Debatten um die Wiederbewaffnung der beiden deutschen Staaten sechs Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs.
Als ich es zum ersten mal las, beeindruckten mich die klare Anti-Kriegshaltung und die Vehemenz, mit der gegen die Wiederbewaffnung Stellung bezogen wurde.
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