W.O.M.A.N.
von Pia Kühltrunk und Helke Dreier
Die Frauenfriedensorganisation entstand nach dem Zweiten Weltkrieg im Rahmen der international aufkommenden Mütterbewegung. Die Schrecken des Krieges und der Verlust geliebter Menschen hatten das Vertrauen vieler Frauen in die Friedensfähigkeit der Staatsmänner erschüttert. Sie gingen davon aus, dass Frauen und Mütter durch ihre Funktion als „Begründerin und Erhalterin von Heim und Familie“[1] besonders zur Wahrung des Friedens in der Welt beitragen könnten und begannen, sich in diesem Sinne zu engagieren und zu organisieren.
Als Geburtsstunde der W.O.M.A.N. gilt die Ansprache der amerikanischen Journalistin Dorothy Thompson an den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen 1946. Hierin brachte sie die Erschütterung der Mütter zum Ausdruck: „Meine Herren, sprechen Sie nicht mehr zu den Müttern […] über Ihren Frieden und seine ‚Durchsetzung‘. Ihr Frieden scheint uns fast noch schlimmer, als es der Krieg gewesen ist. Denn jenseits des Krieges sahen wir den Regenbogen des Friedens, aber hinter Ihrem Frieden sehen wir die Blitzstrahlen, die den Donner des Krieges begleiten.“[2] Die Veröffentlichung der Rede in internationalen Zeitungen löste Zuschriften von Frauen aus vielen Teilen der Welt aus. „[D]iese Manifestation der schwesterlichen Verbundenheit der Frauen und Mütter aller Nationen…“ bewegte Thompson 1946 zur Gründung der W.O.M.A.N. in Amerika.[3]
Die W.O.M.A.N. Gründerin Dorothy Thompson
Dorothy Thompson (09.07.1894 – 31.01.1961) war eine der einflussreichsten amerikanischen Publizistinnen ihrer Zeit. Sie arbeitete ab 1920 als Auslandskorrespondentin für verschiedene amerikanische Zeitungen in Wien und Berlin. Am 25.08.1934 wurde sie als Folge ihres Interviews mit Adolf Hitler 1932 und dem Erscheinen ihres hitlerkritischen Buches „I saw Hitler“ als erste ausländische Journalistin aus Deutschland ausgewiesen. Die Ausweisung förderte ihre steile Karriere in den USA, wo ihre politischen Beiträge bald mehrmals wöchentlich in Presse und Rundfunk erschienen. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges setzte Thompson sich für eine Verständigung mit Deutschland ein. So begrüßte sie die Initiative deutscher Frauen zur Gründung einer Länderzentrale der W.O.M.A.N. in Deutschland.[4]
Die Deutschlandzentrale
Die Deutschlandzentrale der W.O.M.A.N. wurde am 15.06.1948 in Hamburg ins Leben gerufen. Die Gründerinnen orientierten sich an den Zielen der amerikanischen W.O.M.A.N., bauten aber eine eigenständige Organisation auf. Diese agierte bundesweit und war gegliedert in Landesverbände, lokale Arbeitskreise und Einzelmitglieder. Auch Frauen aus dem Ausland konnten sich der Deutschlandzentrale als Einzelmitglieder anschließen. Darunter waren international bekannte Frauen, wie z.B. die nach Schweden emigrierte Literaturnobelpreisträgerin Nelly Sachs und die aus den USA stammende französische Bühnenkünstlerin Josephine Baker.
Eine der ersten öffentlichen Aktionen, die die junge Vereinigung zusammen mit anderen Frauenverbänden am 16.12.1948 in Hamburg durchführte, war eine Dankkundgebung für Auslandsspenden zur Unterstützung der deutschen Bevölkerung. Sie zeigt den Arbeitsschwerpunkt der Deutschlandzentrale in der Völkerverständigung. So pflegte die Organisation zahlreiche internationale Kontakte, u. a. zu den Mütterbewegungen in den USA, in Frankreich, Schweden und der Schweiz, zur Frauenfriedensbewegung und Friedensbewegung in England und Irland sowie zu Frauenhilfswerken in Indien, Arabien, Israel und Vietnam.
Die Verständigung zwischen Ost und West war eines der Hauptanliegen der deutschen W.O.M.A.N.-Frauen. Sie bauten Verbindungen auf zu Frauenorganisationen in der DDR und in anderen Ostblockstaaten und setzten sich gegen die deutsche Teilung und später für die Wiedervereinigung ein.[5] Durch diesen Einsatz, auch während des Kalten Krieges, geriet die W.O.M.A.N.-Deutschlandzentrale zeitweise in den Verdacht, eine „kommunistische Tarnorganisation“ zu sein.[6]
Das Motto: Ehrfurcht vor dem Leben
Der Verband wählte als Leitmotiv die von Albert Schweitzer geprägte Forderung der „Ehrfurcht vor dem Leben“. Unter diesem Motto engagierten sich die Frauen für Frieden, Gleichberechtigung und humanitäre Projekte. Sie schrieben Petitionen an Staatsoberhäupter und sonstige einflussreiche Personen und verfassten Protestschreiben gegen Aufrüstung, Atomwaffen und Kriegsspielzeug. Gemäß der Forderung in ihren Leitsätzen zur „Mitarbeit der Frau in allen wesentlichen Lebensbereichen“, setzten sie sich z.B. 1949 für die Wahl von Louise Schröder als Bundespräsidentin ein und veranstalteten Informationsseminare zur politischen Aufklärung von Frauen. Im Rahmen ihrer karitativen Projekte wurden Patenschaften für Kinder in der dritten Welt vermittelt und der WOMAN-Arbeitskreis Freiburg gründete eines der ersten SOS-Kinderdörfer in Deutschland.
Über ihre Tätigkeiten informierte die W.O.M.A.N. Mitglieder und FreundInnen u. a. durch einen mehrmals jährlich erscheinenden Rundbrief. Die Vorstandsfrauen und Mitglieder verfassten außerdem Artikel und Leserbriefe, die zum Teil in überregionalen Zeitungen erschienen. Auch durch öffentliche Kundgebungen wurden die Ansichten der W.O.M.A.N. einer breiteren Öffentlichkeit vermittelt. Große Resonanz fand z.B. die Veranstaltung 'Appell der Mütter und Frauen an das Weltgewissen' am 29.06.1958 in der Universität Hamburg. Eine der zentralen Figuren der Veranstaltung war die langjährige W.O.M.A.N.-Präsidentin Vilma Mönckeberg-Kollmar (29.07.1892 – 04.04.1985). Die Dozentin für Sprecherziehung und Vortragskunst leitete die Deutschlandzentrale mit einer kurzen Unterbrechung von 1948 bis 1964.[7]
Nachlass
Der Nachlass der W.O.M.A.N. im Archiv der deutschen Frauenbewegung umfasst Materialien von der Gründung der Deutschlandzentrale 1948 bis zur ihrer Auflösung 2010. Er enthält u. a. Veröffentlichungen der Frauenfriedensorganisation in Form von Falt- und Flugblättern, Broschüren, Rundbriefen, Festschriften und Zeitungsartikeln. Aus einer Fülle von Stellungnahmen und Manuskripten gehen Positionen der W.O.M.A.N.-Frauen zu verschiedenen gesellschaftspolitischen und ethischen Themen hervor. Auskunft über das allgemeine Verbandsgeschehen geben Korrespondenzen, Berichte und Protokolle sowie Verwaltungs- und Seminarunterlagen. Weitere Dokumente belegen die Vernetzung des Verbandes mit nationalen und internationalen Frauen- und Friedensorganisationen wie dem Deutschen Frauenrat, in den die W.O.M.A.N. 1970 aufgenommen wurde, der Westdeutschen Frauenfriedensbewegung, dem Demokratischen Frauenbund Deutschlands und der Women's International League for Peace and Freedom. Die internationalen Kontakte spiegeln sich im Bestand durch Briefe in Englisch, Französisch und Russisch sowie durch fremdsprachige Dokumente zu internationalen Konferenzen, wie dem Weltkongress der Frauen 1969 in Helsinki, dem Weltkongress der Friedenskräfte 1973 in Moskau und der 4. Weltfrauenkonferenz 1995 in Peking. Ergänzt werden die schriftlichen Überlieferungen von mehr als 100 Einzelfotographien, Fotoalben, Plakaten und einigen Objekten.
Weitere Akten zur W.O.M.A.N. sind u. a. im Nachlass der Friedensaktivistin Christel Küpper im Institut für Zeitgeschichte München – Berlin recherchierbar. Unter ihrem Vorsitz organisierte der W.O.M.A.N. Arbeitskreis München bereits im März 1958 eine Kundgebung gegen Wettrüsten und Atomgefahr.
Fußnoten
Chronik
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1948 Gründung der Deutschlandzentrale der WOMAN am 15.06.1948 in Hamburg. Die erste Vorsitzende Ilse Bentler wandert kurze Zeit später nach Amerika aus. Die zweite Vorsitzende Marie Pieper wird bald von den Besatzungsmächten zum Rücktritt aufgefordert, weil sie die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki als Verbrechen gegen die Menschlichkeit bezeichnet. Daraufhin wird Vilma Mönckeberg-Kollmar Präsidentin.
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1951-1954 Arbeitskreise der WOMAN in Schleswig, Rendsburg, Kiel, Hannover, Detmold, Lemgo,München, Stuttgart, Darmstadt, Marquardstein, Freiburg, Falkenstein und Gautin. Die Arbeitskreise setzen in ihrer Arbeit unterschiedliche Schwerpunkte.
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1958 Zum 10-jährigen Bestehen der WOMAN findet am 29.06. in der Universität Hamburg eine Kundgebung statt unter dem Motto „Appell der Mütter und Frauen an das Weltgewissen“.
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1964 Eva Rahmann löst Vilma Mönckeberg-Kollmar als WOMAN-Präsidentin ab. Die Zentrale wird von Hamburg nach Königstein im Taunus verlegt.
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1970 Die WOMAN wird in den Deutschen Frauenrat aufgenommen.
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1972 Mit der neuen Vorsitzenden Dorothea Eckardt kehrt die Zentrale nach Hamburg zurück.
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1976 Carola von Hake leitet die WOMAN von Hannover aus.
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1979 Treuhilde von Alten-Schnapauff wird Präsidentin und die Zentrale zieht nach Wilhelmshaven.
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1985 Charlotte Malorny übernimmt als Präsidentin die Zentrale in Wilhelmshaven.
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1991 Sabine Dolezalek tritt den Vorsitz der WOMAN an und die Zentrale wird nach Gehrden verlegt.
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1997 Mit der neuen Vorsitzenden Ingrid Kaluza kehrt die Zentrale nach Wilhelmshaven zurück.
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2009 Evelyn Föhringen aus Dessau wird als Vorsitzende der WOMAN gewählt.
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2010 Ende 2010 wird die WOMAN aufgelöst.
Recherche zu W.O.M.A.N.
Im Online-Katalog META sind Literaturnachweise, Materialien und Digitalisate zu W.O.M.A.N. zu recherchieren
Publikationen aus W.O.M.A.N. (Auswahl)
W.O.M.A.N. Welt-Organisation der Mütter aller Nationen (Hg.): 10 Jahre W.O.M.A.N. Ein Rechenschaftsbericht, Hamburg 1958.
W.O.M.A.N. (Hg.): 20 Jahre W.O.M.A.N. 1948-1968, Königstein/Taunus 1968.
W.O.M.A.N. überparteilich, überkonfessionell. Auslandsarbeit. 1980-1985. Hg. W.O.M.A.N., Wilhelmshaven, 1985.
W.O.M.A.N. (Hg.): 40 Jahre W.O.M.A.N., Wilhelmshaven 1988.
W.O.M.A.N. (Hg.): 50 Jahre W.O.M.A.N. World Organisation of Mothers of all Nations. Weltorganisation der Mütter aller Nationen. Deutscher Frauenverband e.V. 1948 – 1998, Festschrift, Wilhelmshaven 1998.
Dolezalek, Sabine: 60 Jahre W.O.M.A.N. Beobachtungen und Gedanken beim Streifzug durch die Zeit, in: W.O.M.A.N., Rundbrief Nr. 22, 2008, S. 6-15.
W.O.M.A.N. (Hg.): Dialog der Generationen. Frauen im Gespräch, Wilhelmshaven 2003.
Literatur über W.O.M.A.N. (Auswahl)
Stoehr, Irene: Die W.O.M.A.N. und der Kalte Krieg. Die ersten Jahre der Mütterbewegung in Westdeutschland, in: W.O.M.A.N. (Hg.): 50 Jahre W.O.M.A.N. World Organisation of Mothers of all Nations. Weltorganisation der Mütter aller Nationen. Deutscher Frauenverband e.V. 1948 – 1998, Festschrift, Wilhelmshaven 1998, S. 36-40.
Thompson, Dorothy: Kassandra spricht. Antifaschistische Publizistik 1932-1942, Wiesbaden 1988, darin u. a.: I saw Hitler! 1932, S. 30-60.