Eleonore Romberg
von Susanne Hertrampf
Die Friedensaktivistin, Soziologin und Bayerische Landtagsabgeordnete Eleonore Romberg lebte seit ihrer Geburt 1923 bis zu ihrem Tod 2004 in München. Ihr Vater, Anton Hagspiel, starb 1926, nach einigen Jahren heiratete ihre Mutter Antonie, geb. Neuner erneut. Eleonore und ihr Bruder wuchsen gemeinsam mit drei Stiefschwestern in „relativ ärmlichen Verhältnissen“[2] im Münchner Stadtteil Ramersdorf auf. Nach 8 Jahren Volksschule erhielt sie 1937 einen Platz an der Riemerschmid Handelsschule. Im gleichen Jahr erkrankte sie an Kinderlähmung. Mit dem Stigma der Behinderung wurde ihr die Aufnahme in den Bund Deutscher Mädchen verwehrt. Doch trotz Krankheit und Ausgrenzung schloss sie die Handelsschule 1940 erfolgreich ab. Zeitgleich war sie mit dem Tod ihres Bruders als Pilot der deutschen Luftwaffe konfrontiert. Darüber hinaus war ihr Stiefvater zuvor wegen politischer Äußerungen denunziert worden und musste deshalb für neun Monate ins Gefängnis Stadelheim. Beide Ereignisse prägten ihr weiteres politisches Denken.
Politisierung in der Nachkriegszeit
Während des Krieges arbeitete Eleonore Romberg als Kontoristin. Durch Kontakte zu einem Kreis junger Leute, die der neu gegründeten CSU nahe standen, erhielt sie im Herbst 1945 die Stelle einer Sekretärin bei Alois Hundhammer, dem ersten CSU-Fraktionsvorsitzenden.[3] Zwar weckte diese Tätigkeit ihr Interesse an Politik, aber sie schlug eine andere politische Richtung ein. Ihr politisches Verständnis wurde auch geschärft durch den Arzt Ernst-Heinrich Romberg, den sie 1953 heiratete. Seine Verbindungen zum „Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands“, der 1945 mit Genehmigung der sowjetischen Militäradministration gegründet worden war und später zu einer Massenorganisation der DDR wurde, führte zum Vorwurf, dass Eleonore Romberg mit dem sowjetischen Regime sympathisiere. So verlor sie auf bloßen Verdacht hin ihre Arbeitsstelle bei der CSU und erhielt sogar Hausverbot. Schließlich verortete sich Eleonore Romberg in keiner Partei, sondern fand ihre politische Heimat in der Frauenfriedensbewegung. Den entscheidenden Impuls lieferte ihr die Debatte um die Wiederbewaffnung Westdeutschlands. Für sie stand fest, dass es „nie wieder den Hitler und nie wieder Diktatur und nie wieder dieses Strammstehen und nie wieder Krieg“[4] geben dürfe. Als sie 1955 Frauen kennenlernte, die in der Münchner Ortsgruppe der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit (IFFF, englisch: Women’s International League for Peace and Freedom (WILPF), gegründet 1915 in Den Haag) friedenspolitisch aktiv waren, wurde ihr klar, „da gehör ich hin“.[5]
Für Frieden und Freiheit
Eleonore Romberg trat 1956 in die IFFF ein. Am meisten imponierte ihr, dass die älteren IFFF-Frauen bereit waren, ihre Friedenspolitik kritisch zu überprüfen, um ihren Vorstellungen von Frieden und Freiheit gerecht zu werden, ebenso wie ihre Ablehnung von Freund-Feind-Bildern.[6] Mit dieser Politik hatten die IFFF-Frauen einen schweren Stand im aufkeimenden Kalten Krieg. Das bayerische Innenministerium ging sogar so weit, die IFFF 1953 auf die Liste „verfassungswidriger Organisationen“ zu setzen. Kaum dass die Münchner Ortsgruppe nach 1945 reaktiviert worden war, musste sie ihre Arbeit wieder einstellen. Im Oktober 1955 wurde die IFFF wieder von der Liste gestrichen.[7] Bereits nach kurzer Zeit machte Romberg nicht nur in München einen Aufstieg als Vorsitzende der Ortsgruppe und Vertreterin im Geschäftsführenden Ausschuss der Deutschen Sektion. Anfang der 1970er Jahre erhielt sie das Amt der IFFF-Vizepräsident während des 18. internationalen IFFF-Kongresses in Neu Dehli, Indien. Bei den Vorstandswahlen hatte Romberg dafür die meisten Stimmen erhalten.[8] Als Vizepräsidentin konnte sie die Friedenspolitik der IFFF nun auf allen Ebenen, d. h. kommunal, national und international, direkt beeinflussen; für zwei Jahre auch als internationale IFFF-Präsidentin. Um das anspruchsvolle Ziel der IFFF, Frieden und Freiheit gleichermaßen zu verwirklichen, warb sie für ein möglichst breites Bündnis Gleichgesinnter. Dementsprechend sah sie im „Eisernen Vorhang“ keine unüberwindbare Grenze, sondern nahm beispielsweise 1971 an einem internationalen Frauenseminar in Moskau teil, wo es u. a. um das Thema „Frieden und Sicherheit in Europa“ ging.[9]
Die spät Berufene: Professorin für Soziologie
Parallel zu ihrem Aufstieg in führende IFFF-Ämter auf kommunaler und inter/nationaler Ebene schlug Eleonore Romberg den „zweiten Bildungsweg“ ein. Nach dem Begabtenabitur 1961 studierte sie Soziologie, Philosophie und Psychologie an der Universität München. 1968 schloss sie ihr Studium mit einer Magisterarbeit über ein frauenspezifisches Thema ab: Die sozio-psychologische Situation der Frau an der Universität. Von 1968-1971 lehrte sie Soziologie an der Ellen-Amman-Schule. Als diese 1971 mit drei weiteren Fachhochschulen zur Katholischen Stiftungsfachhochschule München fusionierte, übernahm Eleonore Romberg (ab 1973 als Professorin) – bis zu ihrer Emeritierung 1983 – den Fachbereich Soziale Planung mit Schwerpunkt Stadtteil- und Ausländerarbeit. 1976 drohte ihr die Katholische Kirche mit Berufsverbot. Insbesondere die Zusammenarbeit mit Kommunist_innen war dieser suspekt. Eleonore Romberg trat pro forma aus der IFFF aus und ließ ihre Friedensarbeit ruhen, um ihre Professur nicht zu gefährden; Anfang der 1980er Jahre hatte sich die Angelegenheit beruhigt.[10]
Hinterlassenschaften für das 21. Jahrhundert: Kommunal – Transnational denken und handeln
1986 wurde Eleonore Romberg von Münchner_innen aufgefordert, für den Bayerischen Landtag zu kandidieren. Trotz Widerständen – vor allem aus den Reihen der FDP, wo sie bezichtigt wurde, Kommunistin zu sein – kandidierte sie erfolgreich als parteilose Friedensaktivistin auf einer [offenen] Liste der bayerischen GRÜNEN.[11] Sie nutzte ihr Mandat, um von 1986 bis 1990 im Bayerischen Landtag ihre Friedenspolitik zu vertreten. Dank ihres langjährigen außerparlamentarischen Engagements in der Frauenfriedensbewegung und aufgrund ihres Fachwissens als Soziologin verknüpfte sie überzeugend Frieden mit Menschenrechten und sozialer Gerechtigkeit. Konkret legte sie dar, wie die bayerische Rüstungsindustrie und Asylpolitik Menschenrechte – insbesondere die von Frauen und Mädchen – verletzte.[12] Zeitgleich übte Eleonore Romberg von 1986 bis 1992 zum zweiten Mal das Amt der internationalen IFFF-Präsidentin aus. Gemeinsam mit ihren Mitstreiterinnen gelang es ihr, die Arbeit der IFFF auch in Lateinamerika zu verankern.[13] Bis zu ihrem Tod 2004 lebte Eleonore Romberg vor, was der Slogan „Global denken – Lokal handeln“ friedenspolitisch bedeuten kann. Für dieses politische Leben wurde sie mit dem Bayerischen Friedenspreis der Deutschen Friedensgesellschaft (1991) und der Medaille „München leuchtet“ in Silber der Stadt München ausgezeichnet.
Nachlass-Spuren
Der Nachlass kam 2005 in das Archiv der deutschen Frauenbewegung und umfasst 3,3 lfm bzw. 186 Verzeichnungseinheiten und hat eine Laufzeit von 1949-2003. Leider konnte nach dem Tod Eleonore Rombergs nicht ihr gesamter Nachlass „gerettet“ werden, sondern nur Teile, die noch nicht im Müllcontainer entsorgt worden waren; Forscherinnen konnten in den Jahren zuvor auf ein umfangreicheres Privatarchiv zurückgreifen. Glücklicherweise sind mehrere (biografische) Interviews mit Romberg geführt worden, die erhalten geblieben sind. Es finden sich im Bestand auch viele Unterlagen, die vom internationalen Engagement Eleonore Rombergs in IFFF zeugen. Weiterhin sind Unterlagen der deutschen Sektion der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit überliefert, ebenso wie Unterlagen der IFFF-Gruppe in München. Im Nachlass vermittelt sich auch ein Eindruck von den Aktivitäten verschiedener Münchner Frauengruppen, die sich für den Frieden und / oder für Frauenrechte engagierten.
Fußnoten
Lebenslauf
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19.06.1923 Als Eleonore Hagspiel in München geboren. Eltern: Anton Hagspiel und Antonie Hagspiel, geb. Neune.
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1937 Erkrankung an Kinderlähmung
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1937 - 1940 Riemerschmid-Handelsschule
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1940 - 1946 Lohnbuchhalterin und Hauptkassiererin in einer Druckerei
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1946-1951 Sekretärin des CSU-Landesvorsitzenden Alois Hundhammer
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1951 Wird von der CSU fristlos gekündigt, da sie angeblich den Bayerischen Vorsitzenden des Deutschen Kulturbundes, Ernst Heinrich Romberg, auf einer Reise in die DDR begleitet haben soll.
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1952 - 1955 Abendschule für Berufstätige. Abschluss: Mittlere Reife
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1953 Heirat mit Ernst Heinrich Romberg
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1956 Eintritt in die Münchner Ortsgruppe der Women’s International League for Peace and Freedom
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1961 Begabtenabitur
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1961 - 1968 Studium der Soziologie, Philosophie und Psychologie an der Universität München. Magisterabschluss mit dem Thema: Die sozio-psychologische Situation der Frau an der Universität
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1968 Dozentin an der Ellen-Ammann-Schule (Höhere Fachschule für Sozialarbeit)
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1971 - 1974 Internationale WILPF-Vizepräsidentin und ab 1972 internationale WILPF-Präsidentin
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1973 - 1983 Dozentin und später Professorin für Soziologie an der Katholischen Stiftungsfachhochschule für Sozialwesen in München
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1976 Pro-forma-Austritt aus der WILPF wegen Androhung eines Berufsverbotes
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1978 Wird Mitglied im Verein für Internationale Jugendarbeit und übernimmt von 1980 bis 1988 dessen Vorsitz
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1986 - 1990 Mitglied des Bayerischen Landtages als parteilose Abgeordnete in der Fraktion Die GRÜNEN.
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1992 Erhält den Bayerischen Friedenspreis der Deutschen Friedens-Gesellschaft
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1993 Wird mit der Medaille München leuchtet in Silber der Stadt München ausgezeichnet
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02.08.2004 Erliegt ihrer schweren Krebserkrankung
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25.11.2004 Posthum Verleihung der Georg-Kerschensteiner-Medaille durch die Stadt München
Digitalisate (Auswahl)
Bericht über das Internationale Frauenseminar in Moskau vom 18. bis 20. September 1971
Bewerbung um einen Listenplatz auf der oberbayerischen Liste der GRÜNEN zur Landtagswahl 1986
Recherche zu Eleonore Romberg
Im Online-Katalog META sind Literaturnachweise, Materialien und noch mehr Digitalisate zu Eleonore Romberg zu recherchieren
Literatur von Eleonore Romberg (Auswahl)
Romberg, Eleonore: Die sozio-psychologische Situation der Frau an der Universität, Hochschulschriften München, [ca. 1965].
Romberg, Eleonore: Damals als die Gleichberechtigung ins Grundgesetz kam. Ein Vortrag, Gleichstellungsstelle für Frauen, Landeshauptstadt München, 23, München 1993.
Literatur über Eleonore Romberg (Auswahl)
Interview mit Eleonore Romberg, geführt von Ruth Dieckmann am 8.6 und 11.9.1994, in: Sybille Krafft: Zwischen den Fronten: Münchner Frauen in Krieg und Frieden, 1900-1950, München 1995, S. 435-447.
Kurzbiografie über Eleonore Romberg, in: Susanne Hertrampf: Zum Wohle der Menschheit. Feministisches Denken und Engagement internationaler Aktivisitinnen 1945-1975, S. 153-159.