ISBN

978-3-926068-23-1

Kosten

11,50 €

Umfang

82 Seiten

Erschienen

Mai 2016

Heft 69

FrauenBewegung

Geschlechtergeschichte und Sport

In diesem Heft wenden wir uns den vergangenen und den noch aktuellen Kämpfen um Gleichstellung von Frauen im (Profi)Sport zu. Im 19. Jahrhundert herrschte ein rigides bürgerliches Körperideal, welches Frauen in einengende und gesundheitsgefährdende Kleidung zwängte. Mediziner rieten vor zu viel Bewegung ab, da sie annahmen, dass die weiblichen Geschlechtsorgane Schaden nehmen würden. Dass sich diese Vorstellungen langsam änderten, hatte auch mit der proletarischen und bürgerlichen Frauenbewegung zu tun, die medizinische und gesellschaftliche Vorurteile in Frage stellte. 
Als sich die sogenannten Leibesübungen etablierten – maßgeblich innerhalb der Turnerbewegung – gehörten Frauen nicht zur Zielgruppe. Turnen sollte der Körperertüchtigung junger Männer und damit der Erhöhung der soldatischen Wehrtüchtigkeit dienen. Frauen hatten ihre patriotische Pflicht durch das Gebären von Kindern zu erfüllen und diese Funktion sollte nicht durch körperliche Bewegung gefährdet werden – eine Einstellung, die sich erst im wilhelminischen Kaiserreich änderte. Erste Frauenturnabteilungen etablierten sich in den 1880/90er Jahren. Obwohl die frühen Turnerinnen sich nicht in der Frauenbewegung engagierten, hatten sie indirekt Anteil an der sich vollziehenden Frauenemanzipation, denn die eigene Körpererfahrung beförderte ein neues weibliches Selbstverständnis, eine veränderte Körperkultur, die neue Rollenbilder und neue Bewegungs-Freiheiten zur Folge hatte. 
Heute haben Frauen sowohl im Freizeit- als auch im Leistungssport Fuß gefasst. Traditionell männlich konnotierte Zuschreibungen und Verhaltensmuster wie Mut, Körperkraft, Risikobereitschaft, Aggressivität oder Konkurrenzverhalten wurden auch Teil eines emanzipierten weiblichen Selbstverständnisses, das sich nicht zuletzt im Sport ausdrücken kann. Ist daher nun alles erreicht? Die Öffnung für alle Geschlechter (jenseits von Mann und Frau) und die Eroberung besonders auch des Leistungssports als diskriminierungsfreiem Raum, wird schon länger von der LGBTI-Bewegung gefordert. Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender und Intersexuelle haben sich zwar eigene Großveranstaltungen wie die Gay Games geschaffen, die 1982 in San Francisco das erste Mal stattfanden. Doch das eigentliche Ziel, im Sport die heterosexuellen Normen zu überwinden, bleibt. Dass es nach wie vor zu Diskriminierungserfahrungen im Leistungssport kommt, zeigen die wenigen öffentlichen Coming-Outs.
Die Beiträge machen deutlich, dass der freie Zugang zu Körpererfahrungen nicht selbstverständlich war und ist. Spezielldie Pionierinnen in einer Sportart waren mit vielen Hindernissen und Vorurteilen konfrontiert. Mut, Risikobereitschaft und insbesondere Durchhaltevermögen vieler Einzelner haben erst zur heutigen Fülle und Auswahl von Sportarten geführt, da immer wieder die geschlechtsbezogenen Vorurteile, gleich ob medizinisch, biologisch oder moralisch argumentiert, offengelegt und zur Revision herausgefordert wurden.

Redaktion

Dr. Kerstin Thieler/ Laura Schibbe M. A./ Dr. Kerstin Wolff/ Helke Dreier M. A. 

Mit Beiträgen von

Gertrud Pfister, Merit Petersen, Tatjana Eggeling, Merle Büter, Melanie Woitas, Kerstin Wolff / Barbara Wagner, Martina Gugglberger, Ute Sonnleitner, Annette R. Hofmann.

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